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#Autismusheldentag - was ich an Maries Autismus liebe

Anlässlich des Weltautismustags organisierten wir bei Instagram unter dem #autismusheldentag eine Aktion, bei der Menschen, die mit Autismus in Berührung kommen, von den schönen Seiten der Neurodiversität berichteten. Dies hier ist mein Beitrag:

Was ich an Maries Autismus liebe? Die Auswahl fällt mir gar nicht so leicht: Ich bin fasziniert von ihrer Achtsamkeit, ich bin beeindruckt über ihren Blick fürs Detail und ich bin so stolz auf ihre unendliche Neugierde und Ausdauer.
Was ich aber am allermeisten liebe, ist, wie unglaublich groß und ehrlich ihre Freude sein kann! Marie fühlt so viel und und so intensiv. Wenn sie lacht, dann von der Fußzehe bis zur Haarspitze. Die Haut, der Mund, die Augen, alles strahlt!

Jeden Tag, wenn ich Marie vom Kindergarten abhole und die Hofeinfahrt hochlaufe, erkennt sie mich schon von Weiten. Marie beginnt augenblicklich zu hüpfen. Durch die Fensterscheibe sehe ich, wie sie "Mama!!! Hallooooo!" ruft, strahlt und lacht. Während ich den Hof überquere, den langen Flur bis zur Tür des Gruppenraums, weiß ich, dass ihre Freude anhält. Marie hüpft nicht nur ein, zweimal. Nein, Marie hüpft und juchzt die ganze Zeit! Wenn ich den Raum betrete, ist ihre Freude so hoch, dass sie um Tische saust, mich an die Hand nimmt und mir direkt etwas zeigen will. Ich kenne niemanden, der nicht mitlachen muss, wenn er Marie dabei zusieht. Ein Freund sagte einmal zu mir: Wenn ich Marie sehe, geht es mir gut. 

Als Marie noch jünger war, flatterte sie auch mit den Armen, wenn sie sich stark freute. Wenn sie beispielsweise ein buntes Windrad entdeckte, wedelte sie fröhlich mit den Armen. "Ohhh, mein Flattermann", nannte eine Freundin Marie entzückt. Als ich, da war Marie 21 Monate, mich über Autismus einlas, erfuhr ich, dass genau dieses Armewedeln ein Zeichen, ein Symptom, sein kann. Aus dieser Info ergab sich eine Zeit, in der ich Maries Flattern nicht mehr verliebt genießen konnte. Wenn Marie mit den Armen wedelte, sah ich nicht mehr die unbändige Freude, ich sah Symptome. Das Flattern erinnerte mich, dass Marie anders ist, dass unser Leben anders ist. Heute bin ich stolz, wenn ich Maries Freude sehe. Ich hoffe, sie wird sie sich sehr lange beibehalten können.

Bitte Marie bewahre dir diese Freude, nicht nur für dich, auch für uns alle.

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