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Natürlich spielt Selbstfürsorge in meinem berufliche Kontext eine große Rolle, manchmal ganz zu Beginn der Therapie, wenn es darum geht überhaupt wieder Fuß zu fassen (rw), fast immer aber am Ende einer Therapie, wenn wir im Rahmen der Rückfallprophylaxe üben, auf uns aufzupassen. Was nach Wellness klingt, ist am Ende knallharte Arbeit, weswegen meine Patienten eher in der Theorie als Praxis Fans des Themas sind.
Nun habe ich an mich als Psychotherapeutin den Anspruch, dass ich all das, was ich mit meinen Patienten übe, auch selbst anwenden kann. Natürlich darf auch ich Probleme haben und an Herausforderungen scheitern, aber wenn ich mich jetzt weigerte meine eigenen Strategien anzuwenden, wäre das doch irgendwie unauthentisch.
Und mit diesem Schwenk kommen wir auch zum eigentlichen Thema dieses Artikels: Ich bin aktuell sau schlecht in der Selbstfürsorge. Ich sehe sicher nicht ungepflegt aus, aber Tatsache ist auch, dass sich in meinen eilig zusammengebundenen Haarknäul ungekämmte Haare verstecken. Ich dusche nicht mehr täglich, und das nicht wegen des Klimas oder der Empfehlung von Dermatologen, sondern einfach, weil ich abends lieber auf dem Sofa rumliege als mich nochmal unter die Dusche zu stellen. Wenn morgens um 8.30 meine erste Patientin mit Anorexie klingelt und ich mir 10 Sekunden davor noch halbherzig ein halbes Muffin am Stück in den Mund geschoben haben, denke ich: "Wenn die wüsste...".
Selbstfürsorge ist knallharte Arbeit
Selbstfürsorge ist wichtig. Natürlich ist es leicht zu sagen: "Pass auf dich auf.", "Gönn dir eine Pause" oder immer gerne der Alltime-Classic: "Du musst auch mal an dich denken!", doch im Hamsterrad des Tages ist eben genau das Anhalten schwerer als das weitermachen. Dabei ist Erholung nicht gleich Erholung. Meine Patienten frage ich gerne, was wohl der Unterschied zwischen selbstfürsorglichem Serien schauen und schädlichen Serien schauen sei. Die Antwort fällt den meisten nicht schwer: Immer dann, wenn ich mich ganz bewusst für Netflix entscheide, vielleicht sogar mit einem Kakao/ einer Schüssel Popcorn/ schönem Licht oder einer Kuscheldecke tue ich mir etwas Gutes. Lasse ich mich einfach berieseln, zappe ziellos durch das Programm oder schaue mehr, als mir eigentlich gut tut, zählt es nicht zur Selbstfürsorge.Serie schauen, ein gutes Buch lesen, Wellness... all diese Tätigkeiten dienen in der Regel dazu, die Akkus aufzuladen. Sie entsprechen daher auch meist dem, was man allgemein unter Selbstfürsorge versteht. Sie benötigen Zeit und Achtsamkeit (noch so eine Worthülse!), beides nicht unbedingt das, was man als Mutter in Unmengen zur Verfügung hat. Manchmal genügt es, sich eine Kleinigkeit vorzunehmen und umzusetzen. Manchmal müssen dafür ganze Tagesabläufe verändert werden. Mit meinen Patienten überlege ich daher, was ihnen konkret gut täte und was, wann und wie realistisch umsetzbar ist. Häufig haben eben - zur Verwunderung aller - dann genau die kleinen Schritte eine riesige Wirkung. Man muss es aber eben tun.
Manchmal ist es auch selbstfürsorglich Dinge nicht zu tun. An dieser Stelle wird der Haushalt gerne angeführt, aber ich meine damit auch die aktive (!) Entscheidung, sich nicht bei jemandem zu melden und das Wegpacken all jener Utensilien, die einem eigentlich weder große Freude noch große Erholung (aber viel Ablenkung) bringen. Für mich heißt es zum Beispiel Apps nach einer gewissen Nutzungsdauer zu sperren. Statt der Nachrichten-App mal wieder eine Zeitung zu lesen. Nicht mit der S-Bahn zu fahren, sondern zu laufen (und manchmal ist S-Bahn fahren statt laufen eben die selbstfüsorglichere Variante, ihr seht: es ist kompliziert)).
Daneben gibt es noch eine weitere Art der Selbstfürsorge und diese ist überhaupt nicht erholsam. Im Gegenteil: Wenn ich diese Art der Selbstfürsorge geschafft habe, bin ich im Anschluss noch erschöpfter - und glücklicher.
Konkret denke ich dabei an ein Wochenende, das frisch hinter mir liegt. Einmal im Jahr verbringen meine besten Freunde und ich ein Wochenende zusammen - ohne Partner, ohne Kinder, nur wir 6. Diese Gruppe Menschen ist mein safe place, es sind die Menschen, die ich jederzeit anrufen könnte, die, wenn auch leider kilometerweit durch Deutschland verstreut, mir nahe sind wie kaum jemand. Wenn wir uns zu unserem "Psycho-Wochenende" treffen, dann wird über alles erzählt und gesprochen, was uns so durch den Kopf geht. Die Themen reichen von schweren Herzschmerzthemen über gegenseitiges Aufziehen zu dämlichen Youtube Videos. Wir trinken viel zu viel und tanzen zu den Hits unserer Jugend. Wir liegen uns in den Armen und - auf diesen Punkt will ich eigentlich hinaus - schaffen neue Erinnerungen. Wir schaffen Momente, an die ich mich noch Ewigkeiten erinnere, ich grinse über Fotos, wenn M. beim Mexikaner trinken das Gesicht verzieht, und lache, wenn ich das Video betrachte, bei dem ich auf meinen besten Freund hüpfe, um ihn zu wecken. Wenn wir uns ein Jahr später wiedersehen, werden wir genau über diese Geschichten schwärmen. Psycho-Wochenende schmeckt für mich nach Freiheit und Liebe, nach Unbeschwertheit und Geborgenheit.
So schön diese Art der Selbstfürsorge nun klingen mag, so anstrengend ist sie eben. Ich kann meinen Schlafmangel schließlich nicht mal eben durch ein Nachmittagsnickerchen wieder ausgleichen. Ich glaube aber, dass genau diese Alltagspausen für mich wichtig sind. In all den Routinen, in all der (ja, manchmal ist das leider so) Aufopferung, die ich für unser aktuelles Leben benötige, brauche ich das.
Selbstfürsorge ist Teamarbeit
Dass ich auf mein "Psycho-Wochenende" fahren kann, geht natürlich nur, wenn Andere meinen Platz zu Hause einnehmen. Das Wortspiel aus "Selbst-Fürsorge" und "Team-Arbeit" ist daher ganz bewusst gewählt. Tim musste auf seiner Arbeit viel organisieren, zusätzlich kamen noch Oma und Uroma zur Unterstützung. Ich wiederum musste Verantwortung abgeben und die Abschiedstränen meiner Kinder aushalten.
Auf unserer Reha lernte ich ein Paar mit einem Sohn mit Gendefekt kennen. Dieses Paar ist in einer Selbsthilfegruppe organisiert und als Tipp von erfahreneren Eltern bekamen sie, dass sie frühzeitig beginnen sollten, sich ein Pärchen-Wochenende pro Jahr freizuhalten. Sie sollten von Anfang an ihr Umfeld (Babysitter, Großeltern, wer auch immer verfügbar) in die Pflege miteinbeziehen, damit sie guten Gewissens ihre Auszeit antreten könnten. Ich weiß, dass an dieser Stelle viele "Ja, aber" kommen können: Ja, aber wir haben niemand. Ja, aber wir haben nicht die finanziellen Möglichkeiten. Ja, aber mein Kind lässt sich nicht von Anderen betreuen. Jedes "Ja, aber" kann ich verstehen und ich will mich daher gar nicht anmaßen, diesen Tipp als "must-do" weiterzugeben. Für uns als Paar ist er aber genau richtig gewesen.
Seit Maries Diagnose kommen meine Schwiegereltern ca. einmal pro Monat für ein Wochenende zu uns. Sie haben sich in das Thema gelesen, sich weitergebildet, sie verbringen regelmäßig Zeit mit den Kindern und beide Mädels haben eine gute Beziehung zu ihnen aufgebaut. Wir bereiten Marie mit Fotos auf den Besuch vor, sind anfangs noch dabei, gehen beispielsweise zusammen auf einen Spielplatz. Stück für Stück haben wir uns dann zurückgezogen. Nach den ersten Ausflügen alleine, begannen wir, dass der Opa die Kinder ins Bett brachte und je höher das (Selbst)Vertrauen aller Beteiligen wurde, desto besser konnten Tim und ich Zeit für uns nehmen.
Auf unserer Reha lernte ich ein Paar mit einem Sohn mit Gendefekt kennen. Dieses Paar ist in einer Selbsthilfegruppe organisiert und als Tipp von erfahreneren Eltern bekamen sie, dass sie frühzeitig beginnen sollten, sich ein Pärchen-Wochenende pro Jahr freizuhalten. Sie sollten von Anfang an ihr Umfeld (Babysitter, Großeltern, wer auch immer verfügbar) in die Pflege miteinbeziehen, damit sie guten Gewissens ihre Auszeit antreten könnten. Ich weiß, dass an dieser Stelle viele "Ja, aber" kommen können: Ja, aber wir haben niemand. Ja, aber wir haben nicht die finanziellen Möglichkeiten. Ja, aber mein Kind lässt sich nicht von Anderen betreuen. Jedes "Ja, aber" kann ich verstehen und ich will mich daher gar nicht anmaßen, diesen Tipp als "must-do" weiterzugeben. Für uns als Paar ist er aber genau richtig gewesen.
Seit Maries Diagnose kommen meine Schwiegereltern ca. einmal pro Monat für ein Wochenende zu uns. Sie haben sich in das Thema gelesen, sich weitergebildet, sie verbringen regelmäßig Zeit mit den Kindern und beide Mädels haben eine gute Beziehung zu ihnen aufgebaut. Wir bereiten Marie mit Fotos auf den Besuch vor, sind anfangs noch dabei, gehen beispielsweise zusammen auf einen Spielplatz. Stück für Stück haben wir uns dann zurückgezogen. Nach den ersten Ausflügen alleine, begannen wir, dass der Opa die Kinder ins Bett brachte und je höher das (Selbst)Vertrauen aller Beteiligen wurde, desto besser konnten Tim und ich Zeit für uns nehmen.
So mache ich das
Ok, also meine Selbstfürsorge-Skills lassen gerade zu wünschen übrig. Das ist schade, aber änderbar. Für Selbstfürsorge gibt es kein Patentrezept, denn jeder einzelne muss (oder darf?) für sich entscheiden, was ihr oder ihm gut tut. Manche Dinge sind für den einen großartig, für den nächsten jedoch blanker Horror. Anderes scheitert auch an finanziellen oder zeitlichen Möglichkeiten. Trotzdem schadet es vielleicht nicht, ab und an beim Umfeld zu linsen, wie die das so machen, daher hier meine Selbstfürsorge-Strategien:- begrenzte Bildschirmzeit: Ja, Handy daddeln tut manchmal gut. Und auch der Austausch mit anderen Betroffenen gibt mir das Gefühl, weniger allein zu sein. Gleichzeitig muss ich mich auch schützen: Vor zu vielen Schicksalen, zu vielen Fragen, zu vielen Vergleichen. Mein Handy sperrt daher beispielsweise Instagram nach 45 min/ täglich. Nachrichten- Apps und facebook habe ich gar nicht mehr auf dem Handy.
- Lakritz und dunkle Schokolade: Wir haben immer "Nervennahrung" im Haus. Was mir aber oft schwer gelingt, ist diese wohlig-achtsam zu genießen. Ich esse die Schoki nebenher, finde das doof (weniger wegen der Kalorien als vielmehr wegen des Nebenhers) und brauchte eine Alternative. Seitdem habe ich dunkle Schokolade im Kühlschrank. Sie ist weniger süß, aber ich esse sie automatisch bewusster und langsamer.
- Hörbuch und 90er: Über unsere Einschlafsituation habe ich ja bereits geschrieben. Paula will die Füße gekrault bekommen (und aus irgendeinem dämlichen Grund habe ich einmal damit angefangen und komme davon nicht mehr los), Marie braucht ebenfalls viel Zuwendung. Heller Bildschirm geht da leider gar nicht. Also höre ich seit neustem Hörbuch und wenn die Kinder nach 30 Minuten nicht schlafen, stelle ich meine 90's Gute-Laune-Playlist ein. Leider (oder was ein Glück?) gibt es keine Nachtbildkamera in unserem Kinderzimmer, die meine Sitz-Dancemoves aufnehmen könnte ;-).
- Sprachnachricht statt Text: Ich bin dazu übergegangen Sprachnachrichten an meine Freunde zu senden. Ich sehne mich zwar einerseits nach Kontakt, gleichzeitig bin ich auch oft zu platt für ein echtes Telefonat. Diese Kompromisslösung gefällt mir gut.
- Das Gläschen Rotwein: Abends mit Tim ein Glas Wein und abschalten. Mehr braucht es eigentlich nicht.
- Selbstfürsorge auf die To-Do-Liste packen: An dieser Stelle muss ich ein wenig ausholen: Ich habe zu Hause nämlich einen eigene TEACCH Ablaufplan. Ja ich, nicht Marie. Ich muss den Artikel hierzu unbedingt mal fertig stellen, denn diese Art der Selbsterfahrung war eine ganz besondere. Jedenfalls wandern meine erledigten Bildkarten in eine Fertig-Kiste (allein schon dieses Gefühl: mmmhhmm!) und auf meinen Bildkarten habe ich eben auch jene Dinge, die mir gut tun: Puzzlen, Duschen, Eincremen, ... ich "muss" diese Aktivitäten genauso abarbeiten wie alles andere.
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