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Über Antworten, die zu einfach sind um wahr zu sein oder Die Frage nach der Schuld

Photo by Teodor Savin from Pexels
Gestern stieß ich auf eine Beratungsseite, die erklärte, die Ursachen für das Ausbrechen von chronischen Krankheiten genauso wie Autismus, ADHS und Ähnlichem seien Entwicklungstraumata, die wir Eltern (möglicherweise unbewusst und ungewollt) unseren Kindern antäten. Mich machen solche pseudowissenschaftlichen, hysterischen und schuldzuweisenden Aussagen unfassbar wütend. Und während dieser Account sicher extrem in seiner Sicht ist, so ist er gleichzeitig auch nicht allzu weit von dem entfernt, was ich auf anderen sozialen Kanälen lese.

"Wenn du dein Kind nach xy erziehst, dann wird alles gut werden", so, mehr oder weniger, lautet die Botschaft vieler großer Accounts.

Diese Aussagen, sie funktionieren ganz wunderbar für unser Ordnung- und Einfachheit liebendes Gehirn. Wenn-Dann-Aussagen geben Sicherheit und Kontrolle, und so unangenehm Schuld auch sein mag, so angenehm ist die Vorstellung, es wieder gut machen, ja, retten, zu können. Evtl. geben sie uns auch ein klein wenig Hochgefühl, wenn unsere Kinder angepasster/normaler/"besser" sind als die anderen Kinder. Sie versprechen Sicherheit: Weil du dich ja so und so verhältst, kann dir und deinen Kindern nichts passieren. Sie passen fabelhaft zu unserem Weltbild, nämlich, dass wir maßgeblich für das Gelingen unseres Lebens (und unserer Kinder) verantwortlich sind. 

Entwickelt sich ein Kind anders als die Norm, ist es zu laut, zu leise, zu unruhig, läuft oder spricht es zu spät, dann suchen wir schnell einen Schuldigen. Und ja, Eltern können ganz gravierende Scheiße bauen (was trotzdem nicht heißt, dass ihre Kinder zwangsläufig auffällig oder krank werden), sie können aber auch vieles sehr richtig machen, und das Kind entwickelt sich trotzdem anders als erwartet. 

Wir können unendlich viele Bücher vorlesen, Babyzeichen nutzen und in einfacher Sprache sprechen und das Kind bleibt trotzdem nonverbal. Wir können ein positives Körperbild vorleben und unsere Töchter fühlen sich in der Pubertät trotzdem hässlich. Wir können ohne Leistungsdruck erziehen und der Sohn weint trotzdem bitterlich, als er keine Bestnote mit nach Hause bringt. Und auch das Kind, dass mit gewaltfreier Kommunikation, voller Liebe und dem besten emotionalen Rüstzeug, das es geben kann, ausgestattet wurde, könnte nicht nur Opfer von Mobbing, sondern sogar der Bully werden. Kurzum: Es gibt keine 100% Sicherheit.

Dies soll freilich nicht bedeuten, das unsere Rolle unwichtig wäre oder wir gar aufgeben sollten. Unsere Kinder brauchen uns und indem wir da sind, verändern wir ihre Welt. Wir sind der Boden, auf dem sie ihr Haus bauen dürfen. Wir können dafür sorgen, dass dieses Fundament sicher und beständig ist. Das Haus, welches unsere Kinder darauf errichten, liegt aber nicht in unserer Hand. Vielleicht wird es beim einen eine ritterliche Festung, beim nächsten ein schwindelerregend hoher Turm, ein anderes Kind wird sich in einer gemütlichen Höhle wohlfühlen. 

Ich wünsche mir, dass wir eines Tages an dem Punkt sind, in dem unsere Städte voller bunter Gebäude stehen, an deren sich Schlösser mit Gartenlauben und Hexenhäusern abwechseln. 
Ich wünsche mir, dass wir lernen Bewunderung zu empfinden, welch beeindruckende, unkonventionelle und schöne Gebäude unsere Kinder auf unsere Fundamente setzen. 

Ich wünsche mir, dass Menschen lernen, dass Anderssein ok ist und es keiner Schuldzuweisung, weder zu den Eltern noch der Kinder, benötigt. 

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