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Unser Start im Integrationskindergarten

Image by Esi Grünhagen from Pixabay 
Seit knapp 7 Wochen geht Marie nun in einen Integrationskindergarten. Zuvor ging sie als Regel-Kind in eine "normale" Krippe, was eine rundherum frustrierende Erfahrung für alle Beteiligten war. Wobei frustrierend wirklich ein Euphemismus ist. Die Entscheidung, sie in einer anderen Einrichtung anzumelden, fiel daher nicht schwer (wenn auch unser neuer Kindergarten ein paar Nachteile hat, aber dazu später mehr). Blicke ich auf die vergangenen Wochen zurück, kommt mir vor allem ein Begriff in den Sinn: Ankommen.

Ankommen in der Inklusion

Unsere alte Krippe schrieb in ihren Leitlinien, dass "alle Kinder", auch die mit Behinderungen, willkommen seien. Solche Sätze zu verfassen ist nicht schwer, sie umzusetzen hingegen eine völlig andere Geschichte. Und erst dann, wenn echte Teilhabe auf dem Prüfstand steht, zeigt sich, dass Inklusion eben doch oft nicht mehr als eine leere Worthülse ist. 

Nun sind wir in einer Einrichtung, die seit Jahrzehnten Inklusion lebt. In der es vollkommen selbstverständlich ist, dass gebärdet wird, in der im Morgenkreis das Begrüßungslied mit Gebärden begleitet wird, in der alle Schubladen mit Metacom Symbolen versehen sind und die mir und Marie von Anfang an das Gefühl vermitteln "Ihr seid willkommen. Wie schön, dass ihr hier seid.". Ganz selbstverständlich darf ich Fotos der Erzieher machen und ich werde gefragt, ob es denn nicht auch sinnvoll sei, wenn Marie Fotos der anderen Kinder bekäme. JA! - Ich hatte mich nur nicht mehr getraut zu fragen.
Fünf Erzieher*innen kümmern sich um 15 Kinder, davon fünf Integrationskinder. Der Personalschlüssel ist natürlich der Kracher! Die Inneneinrichtung selbst ist, wie könnte man sagen, kinderprobt. Jeder Gegenstand sieht so aus, als wurde er schon von Generationen von Kindern bespielt und ich denke: "So muss eine kindgerechte Welt aussehen". Nicht schick, nicht neu, sondern unverwüstlich und beständig. 

Ankommen in echter Beziehung

Gibt es überhaupt Kitas, die nicht nach dem Berliner Modell eingewöhnen? Mir scheint es ein wenig so, als werde "Berliner Modell" als Synonym für "Eingewöhnung" benutzt, nicht jedoch für "Beziehungsaufbau", so wie es ursprünglich gedacht wurde. 

Wer Beziehungsarbeit live erleben möchte, der sollte in unserem neuen Kindergarten hospitieren. In den ersten Tagen weicht die Bezugserzieherin nicht von Maries Seite - ohne sich Aufzudrängen, sondern einfach als Beziehungsangebot. Auch als Marie ganz versunken ihre Perlen auffädelt, setzt sich Mia neben sie und macht einfach mit. Sie erklärt, sie hilft. Je sicherer Marie wird, desto mehr geht sie in den Hintergrund. Wer meint, dass dies alles selbstverständlich ist, dem muss ich leider sagen: Nein, ganz im Gegenteil.

Der Träger arbeitet nach einem psychoanalytischen Pädagogikkonzept, bei dem die Beziehung der Kinder zu den Erzieher*innen im Vordergrund steht. Wer sich am Begriff  der psychoanalytischen Pädagogik etwas gruselt, dem sei gesagt: Nein, es ist ganz toll! Es geht um Beziehung, sehr menschlich, sehr kindzentriert! Und das tut so gut! Alle Teammitglieder werden in einer einjährigen Zusatzausbildung geschult, wöchentlich findet Inter- oder Supervision statt. Ihr seht - auch das Team wird mit ihrer Aufgabe nicht alleine gelassen.

Die anderen Kinder scheinen Marie zu mögen. Marie wiederum, so erfahre ich in der Übergabe, versucht auf ihre Weise am Gruppengeschehen teilzuhaben. Sie setzt sich zu anderen Kindern, während diese spielen und beobachtet. Vorgestern verbrachte sie die Hälfte der Zeit mit einem anderen Mädchen, das sie an die Hand nahm, mit ihr die Räume erkundete und später zusammen malte. Needless to say: Mein Herz hüpft (rw).

Ankommen in einer wertschätzenden Grundhaltung

Unsere letzten Krippenmonate zeichneten sich dadurch aus, dass ich bei der Übergabe entweder das Fehlverhalten meiner Tochter oder ein kurzes "alles ok" erzählt bekam. Nie eine schöne Anekdote, nie einen Jubelmoment. 

Hole ich nun Marie ab, nehmen sich die Erzieher*innen Zeit mir zu berichten und dabei wertschätzend zu bleiben. Aktuell (auch zu Hause, leider) wirft Marie wieder mehr mit Gegenständen. Die Erzieherin erklärt mir, dass es ein Spiel sei, dass Marie natürlich einerseits die Reaktionen des Teams abwarte, vor allem aber am Werfen als solchem interessiert sei. Und wenn sie so spiele, dann sei das "total ok". Marie darf daher werfen so viel sie möchte (natürlich nichts zerbrechliches und auch nicht auf Kinder) und am Ende räumt sie alles mit einem Erzieher gemeinsam auf. Ich finde das einen tollen Kompromiss. Sie darf so sein, wie sie ist, und wird an Regeln herangeführt. Als Marie ihre Erzieherin nach dem morgendlichen Mama-Abschied haut, gebärdet Mia "Du bist traurig. Möchtest du zu mir auf den Schoß kommen und kuscheln?"

Ankommen in der Langsamkeit

Marie geht aktuell rund 4 - 4,5 Stunden täglich in den Kindergarten. Die Erzieher*innen wollen sie so langsam und achtsam wie möglich an den Kindergartenalltag gewöhnen. So gut ich das nachvollziehen kann, so schwierig ist es, meinen Job, Paula (die ja noch in eine andere Einrichtung geht), Therapien und ausreichend Bewegungsraum (leider, leider, leider, hat der Kindergarten kein Außengelände) unter einen Hut (rw) zu bekommen. So hetze ich oft zwischen Praxis und Kindergarten und merke schnell: So geht das nicht. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als zu entschleunigen. Ich reduziere meine Arbeitsstunden (was ein Glück habe ich gerade ein paar Therapieenden), erhöhe die Betreuungszeit von Paula. Einmal mehr merke ich: Ein gewöhnliches Leben (was ist das eigentlich?) mit behindertem Kind ist einfach nicht möglich. Es kostet mich einiges an Kraft einen Perspektivwechsel zu schaffen - die geringere Zeit für mich ist mehr Mama-Exklusivzeit für Marie. Und genau diese Zeit zu zweit ist das, was mir so lange fehlte. Wenn Marie und ich vom Kindergarten nach Hause laufen und sie mir die Kuriositäten der Stadt zeigt (Wusstet ihr, an wie vielen unmöglichen Stellen eigentlich Moos wachsen kann?!), dann werde auch ich ruhiger. Vielleicht ist weniger manchmal mehr.

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