Direkt zum Hauptbereich

Mutmachmantras

Foto von Gelgas by pexels.com
Der Chefarzt einer Klinik, in der ich vor Jahren tätig war, sagte gerne zu seinen Patienten: „Manch ein Gedanke muss erst 500 Mal gedacht werden, bevor er ankommt.“ Ich mag diese Aussage, ganz einfach weil sie beschreibt, dass man sein Denken eben nicht per Knopfdruck ändern kann.

Ich erlebe immer wieder Tage, die mich herausfordern. An denen ich nicht weiß, ob ich das richtige tue. Es gibt Abende, da sorge ich mich um unsere Zukunft. Es gibt Morgen, an denen fühle ich mich schon vor dem Aufstehen gerädert. Es gibt Mittage, den denen ich mich ärgere und Nächte, in denen ich vor Traurigkeit weine.

Ich weiß, dass das alles dazu gehört und auch so sein darf. Ich weiß aber auch, dass es Momente gibt, da hilft alles Nachdenken, Sorgen und Grübeln nicht mehr weiter. Da heißt es „Stop“ sagen und aktiv das Gedankenkreisen unterbrechen. Wenn man so will, bin ich damit mein eigenes Versuchskaninchen und kann all die Techniken, die ich mit meinen Patienten übe, an mir selbst testen. 

Etwas, was mir hilft, sind meine Mutmachmantras. Es sind hilfreiche Aussagen, die ich gut annehmen kann. Es sind keine „die Welt ist rosarot und glitzert“- Aussagen, sondern glaubhafte, einfache Sätze. Manchmal muss ich (oder Tim) diese immer wieder wiederholen, bis mein Gedankenkarussell eine Pause macht. Da mir gerade in schlechten Phasen diese Sätze nicht immer einfallen, habe ich sie im Handy abgespeichert und hiermit dann jetzt auch auf meinem Blog:


„Wir haben uns einen Alltag erschaffen, in dem sich Marie und Paula wohlfühlen.“

„Marie liebt und wird geliebt.“

„Das wichtigste für mich ist, dass meine Kinder glücklich sind. Das sind sie.“

„Marie entwickelt sich. Keiner kann wissen, wohin unsere Reise gehen wird.“

„Autisten entwickeln sich in einem anderen Tempo.“

"Nur weil Marie es nicht zeigt, heißt es nicht, dass sie es nicht kann."

„Marie hat Zeit.“

"Ich gebe mir Zeit, dazu zu lernen."

Kommentare

Beliebte Einträge

Über das Selbstwertgefühl bei (neurodivergenten) Kindern

In meiner Arbeit als Psychotherapeutin kommt bei fast allen Patient*innen früher oder später das Thema Selbstwertgefühl zur Sprache. Zu Hause als Mutter frage ich mich, wie ich meine autistische Tochter darin unterstützen kann, ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln- in einer Welt und einem Alltag, der ihr immer wieder zeigt, dass sie "anders" ist.  Eine kleine, aber wichtige Alltagsbeobachtung Letzte Woche bei der Ergotherapie beobachtete ich folgende Szene: Eine Mutter unterhielt sich in Anwesenheit ihrer ca. siebenjährigen Tochter über die Therapiestunde mit der Ergotherapeutin. "Sie hat sich heute richtig gut konzentriert", meinte die Therapeutin und die Mutter antwortete: "Oh wie schön, dann hatte sie heute also einen guten Tag."  Warum schreibe ich über diese Beobachtung und was hat sie mit Selbstwertgefühl zu tun? In der Psychologie sprechen wir von Attributionen, also von Ursachenzuschreibungen. Es ist ein spannendes Feld, denn e...

Über Antworten, die zu einfach sind um wahr zu sein oder Die Frage nach der Schuld

Photo by  Teodor Savin  from  Pexels Gestern stieß ich auf eine Beratungsseite, die erklärte, die Ursachen für das Ausbrechen von chronischen Krankheiten genauso wie Autismus, ADHS und Ähnlichem seien Entwicklungstraumata, die wir Eltern (möglicherweise unbewusst und ungewollt) unseren Kindern antäten. Mich machen solche pseudowissenschaftlichen, hysterischen und schuldzuweisenden Aussagen unfassbar wütend. Und während dieser Account sicher extrem in seiner Sicht ist, so ist er gleichzeitig auch nicht allzu weit von dem entfernt, was ich auf anderen sozialen Kanälen lese. "Wenn du dein Kind nach xy erziehst, dann wird alles gut werden", so, mehr oder weniger, lautet die Botschaft vieler großer Accounts. Diese Aussagen, sie funktionieren ganz wunderbar für unser Ordnung- und Einfachheit liebendes Gehirn. Wenn-Dann-Aussagen geben Sicherheit und Kontrolle, und so unangenehm Schuld auch sein mag, so angenehm ist die Vorstellung, es wieder gut machen, ja, retten, z...

Wut

Photo by  freestocks.org  from  Pexels Wut, die stärkere Form des Ärgers, ist, so mein Empfinden, eines der Tabuthemen schlechthin. Und damit meine ich nicht die Wut auf die Gesellschaft, Behörden, Ämter und Ärzte (vermutlich wird fast jeder, der sich intensiver mit dem Gesundheitswesen auseinander setzen musste, diese Situationen kennen), nein, ich meine die Wut auf das Kind. Was? Wütend auf ein Kind sein? Dass doch gar nichts dafür kann? Um Gottes Willen! Ich weiß, dass dieser Post vielleicht harte Kost sein mag, aber vielleicht ist er daher genau so wichtig. Meine Haltung als Psychotherapeutin ist immer "Alle Gefühle sind erlaubt" (nicht zu Verwechseln mit "Alle Verhaltensweisen sind erlaubt"). Davon bin ich überzeugt, denn Gefühle, so unangenehm sie auch sein mögen, haben eine Funktion. Den meisten Menschen fällt es noch leicht herauszufinden, warum ein Mensch Angst hat (klar, die schützt einen vor Gefahren), welche Funktion Freude, Traurigkeit, Wut od...