Es gibt Worte, die gehen einem schwer über die Lippen. Dinge, die möchte/darf /soll man nicht aussprechen. Vielleicht denkst du jetzt an ein bestimmtes Schimpfwort, das mit A beginnt. Vielleicht (das läge ja nur nahe beim Thema dieses Blogs) denkst du auch an Autismus. Mein persönliches, schwer auszusprechendes Wort mit A ist aber "Akzeptanz".
Es gibt Menschen, die haben die großartige Fähigkeit, Dinge so anzunehmen wie sie sind. Für diese Menschen ist auch nicht alles Sonnenschein, aber sie schaffen es im Hier und Jetzt zu bleiben und können damit ihre Herausforderungen gut annehmen.
Andere Menschen, und dazu zähle ich, tun sich damit schwer. Bevor ich eine Ungerechtigkeit akzeptiere, muss ich erst mal alle Lösungswege und Möglichkeiten ausloten. Mit voller Energie werfe ich mich auf ein Problem, versuche es mit allen Mitteln und Möglichkeiten zu lösen.
Ich bewundere Eltern autistischer Kinder, die auf Anhieb sagen können "Ich liebe mein Kind über alles und alles ist ok, so wie es ist." Die vielleicht sogar noch hinterher schieben "Wird schon alles werden." Wenn man dies aus tiefsten Herzen (und nicht als Phrase) aussprechen kann, ist das königlich.
Ich finde es aber auch ok, wenn Eltern sagen: "Ich liebe mein Kind über alles und dachte unser Leben würde einfacher ablaufen." Die sich erst mit ihrer neuen Rolle vertraut machen müssen. Denen erst bewusst werden muss, dass man ein kindliches Verhalten total ätzend finden kann, dies aber nichts an der Liebe zu ihrem Kind ändert. Die ihre Vorstellungen und Erwartungen betrauern müssen, um neue realistische Ideen über ihr Leben entwickeln.
Meine Vorstellung über das Mama-Sein
Das, was mir am schwersten fällt zu akzeptieren, hat eigentlich gar nicht so viel mit Marie zu tun. Vielmehr geht es um mich und meine Vorstellung von Muttersein. In Maries erstem Lebensjahr, als alles noch so unspektakulär einfach war, waren Tim und ich ziemlich stolz darauf, wie wir uns als Eltern verhielten. Wir verzichteten auf Erziehungsratgeber und Blogs, überhörten manch einen mehr oder weniger gut gemeinten Rat und glaubten fest an unsere elterliche Intuition. Frei nach dem Motto "Aus der Hüfte mitten ins Herz" machten wir all das, was uns richtig erschien. Und der Erfolg gab uns recht: Marie war fröhlich, entspannt, jeder schloss sie sofort ins Herz. Sie machte es uns auch einfach: Solange wir in ihrer Nähe waren, war sie glücklich. Sie interessierte sich für all das, was in ihrer nächsten Umgebung war und konnte sich damit ausgiebig beschäftigten. Schenkte ihr dann jemand noch Aufmerksamkeit, wurde das mit freudigem Glucksen und Strahlen belohnt. Elternsein, so schien uns, war zwar durchaus anstregend, aber insgesamt ziemlich easy.Und genau diese Unbeschwertheit, die vermisse ich nun am meisten.
Denn als sich in Maries zweiten Lebensjahr die Auffälligkeiten mehrten, bemerkte ich, wie meine Selbstsicherheit und Gelassenheit schwand. Aus "Jedes Kind entwickelt sich in seinem Tempo" wurde "Ist das noch normal?" und endete in "Wann schafft sie das denn endlich??!?". Ich merkte, wie ich Anforderungen an mein Kind stellte, wie ich nachdenklicher wurde und plötzlich doch in Internetforen landete. Und auf einmal war die Leichtigkeit verschwunden. Sorgen und Ängste schoben sich in unser Leben und ich war nicht mehr die Mutter, die ihr Kind die Welt entdecken ließ, sondern die ihrem Kind versuchte ihre Welt zu erklären. Nicht, dass das per se falsch ist- es entsprach nur einfach nicht meiner Idee von Muttersein.
In meiner Vorstellung sah ich mich eher auf Spielplätzen auf der Bank sitzen- nicht, weil ich nicht mit meinen Kindern spielen wollte, sondern, weil ich ihnen den Raum geben wollte, die Welt selbst zu entdecken. Klar, ich wollte auch mit ihnen Höhlen bauen und darin Abenteuergeschichten vorlesen, ich wollte Schnecken sammeln und Blumen pressen. Aber das alles eher angesteckt von der Neugierde meiner Kinder und nicht als Helikopter-Förder-Mutti, die ihren Kindern versucht die Welt besonders pädagogisch wertvoll zu erläutern.
Eine Reise zu sich selbst
Tja. Nun sitze ich hier, zwei Jahre später. Ein Bücherregal voll mit Ratgebern, Biografien, und Fördertipps. Ich gebärde, selbst wenn keiner hinschaut. Maries Neugierde führt mich nicht in die Puppenküche, aber wir nehmen das, was kommt und auch mit Kabeln kann man kreativ spielen, wenn man will. Diese Rolle ist ok für mich. Sie ist anders, als ich mich noch vor zwei Jahren gesehen hätte, aber sie ist für unsere Familie die bessere.Silke Bauerfeind hat ein Buch geschrieben, das da heißt "Ein Kind mit Autismus zu begleiten, ist auch eine Reise zu sich selbst". Und mir wird jetzt erst klar, wie sehr sie mit diesem Titel Recht hat: Meine Tochter ist wunderbar, so wie sie ist. Das weiß ich und das spüre ich aus tiefsten Herzen. Akzeptanz bedeutet für mich daher weniger, das ich mein Kind so annehme wie es ist, denn das tue ich. Stattdessen möchte ich lernen, unser Leben nicht im Vergleich zu der Vorstellung, die ich mal als Mitte Zwanzigjährige vom Muttersein hatte, zu führen, sondern im Hier und Jetzt.
Schreiben hilft mir auf diesem Weg und ich bin mir sicher, das wird nicht der letzte Eintrag zum Thema Akzeptanz werden ;-).
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