Direkt zum Hauptbereich

Auch Autisten haben mal schlechte Tage




Auch Autisten haben schlechte Tage- na klar, denkst du? Aber sicher, sagt mein Kopf. Und doch frage ich mich gerade, wie gut ich das kann, Marie schlechte Tage haben "lassen".

Unser Wochenende war ziemlich durchwachsen, Die Kita hatte uns Zwangsferien verordnet, da wegen Krankheit nicht genügend Erzieher vorhanden waren. Die Mädels waren erkältet, entsprechend schwer waren die Nächte und obendrein hatte Tim eine fiese Arbeitswoche hinter sich. Also alles in allem waren alle Familienmitglieder müde, kränklich und erschöpft.

Marie war in diesen Tagen oft sehr bei sich, hat wieder viel mehr mit Kabeln gespielt und wollte auch wenig Interaktion mit uns. Normalerweise zeigt sie mir freudig ihre Sonderinteressen und will darüber Dinge erfahren. Wenn sie rennt, will sie gefangen werden. Wenn sie Ruhe braucht, kommt sie zu mir kuscheln. Dieses Wochenende schien es ihr aber ziemlich egal, ob ich da war oder nicht. Und jede Abweisung von ihr brach mir das Herz.

Ich habe ihr dann ihren Raum gegeben, bin zwar in der Nähe geblieben, bereit zu spielen und zu kuscheln, aber habe ihr die Zeit gelassen, für sich zu sein. Aushalten konnte ich das nur sehr schwer. "So viele vertane Situationen!", "So viel Autismus!", schrie mein Kopf und mein Herz wurde schwer. Dabei darf auch ein autistisches Kind mal Pause haben. Jeder hat mal schlechte Tage. Auch ich habe schlechte Tage! Schlussendlich sagt dies auch nichts über die Person aus, sondern vielmehr über die Situation. Und ganz ehrlich: Wenn ich schlecht geschlafen habe und meine Nase läuft, dann kann ich ebenfalls ziemlich grumpelig sein.

Auch das ist eine Lernaufgabe: Mein Kind darf genauso schlechte Tage haben, wie jedes andere auch. Jeder braucht mal eine Pause. 

Kommentare

Beliebte Einträge

Über das Selbstwertgefühl bei (neurodivergenten) Kindern

In meiner Arbeit als Psychotherapeutin kommt bei fast allen Patient*innen früher oder später das Thema Selbstwertgefühl zur Sprache. Zu Hause als Mutter frage ich mich, wie ich meine autistische Tochter darin unterstützen kann, ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln- in einer Welt und einem Alltag, der ihr immer wieder zeigt, dass sie "anders" ist.  Eine kleine, aber wichtige Alltagsbeobachtung Letzte Woche bei der Ergotherapie beobachtete ich folgende Szene: Eine Mutter unterhielt sich in Anwesenheit ihrer ca. siebenjährigen Tochter über die Therapiestunde mit der Ergotherapeutin. "Sie hat sich heute richtig gut konzentriert", meinte die Therapeutin und die Mutter antwortete: "Oh wie schön, dann hatte sie heute also einen guten Tag."  Warum schreibe ich über diese Beobachtung und was hat sie mit Selbstwertgefühl zu tun? In der Psychologie sprechen wir von Attributionen, also von Ursachenzuschreibungen. Es ist ein spannendes Feld, denn e

Die Sache mit der Nonverbalität

Image by  Gerd Altmann  from  Pixabay   Kinder beim sprechen lernen zu beobachten macht mir riesige Freude. Paula reißt die witzigsten Sprüche ("Mama sagt nein. Ich sage doch!") und immer größer werden die Einblicke, was in ihrem kleinen Kopf alles vor sich geht. Marie ist mit ihren bald 4 Jahren noch ein ganzes Stück davon entfernt, mir auf verbalem Wege sagen zu können, was sie beschäftigt. Jeder Zwei-Wort-Satz ist hart erkämpft und bleibt für Außenstehende doch oft unverständlich. Es bedarf viel Einfühlungsvermögen, viel genaues Hinhören und manchmal auch ein wenig Fantasie, um Maries Laute und Worte in einen Zusammenhang zu bringen. Anderen Eltern ist diese Problematik bewusst und können mitfühlen. Ich glaube jedoch, dass die tatsächlichen Schwierigkeiten, die durch eine Sprachentwicklungsverzögerung entstehen, oft anders, manchmal auch größer, sind als sich Nicht-Betroffene das vorstellen können. "Nur weil Marie nicht spricht, heißt es nicht, dass sie dich

Kliniktagebuch: Wochen 2 und 3: Ein Zwischenfazit

Nun ist die Reha schon fast wieder vorbei. Mittlerweile sind wir gut im Klinikalltag ankommen, auch wenn Marie häufig wenig Lust auf die Angebote hat und lieber kuscheln möchte. Durch liebevolles Zureden, Bildkarten und Erklärungen lässt sie sich aber meistens doch auf die Aktivitäten ein und hat dann viel Spaß daran. Auch sonst habe ich einiges beobachten und erfahren dürfen, was ich sicher ohne Reha nicht erkannt hätte - über Erziehungsstile, Kinderzeit und echte Teilhabe. Andere Eltern- andere Sitten Wenn ich durch Marie eines gelernt habe, dann, dass man nicht über einen Anderen urteilen soll. Jede Familie hat andere Stärken und Schwächen, hat andere Probleme und Ressourcen. Hier in der Rehaklinik sehe ich, wie weit das Spektrum ist ... damit meine ich nicht die Kinder, sondern die Eltern. Sie unterscheiden sich substanziell von der Blase, in der ich mich zu Hause befinde und es fällt mir wirklich schwer, sie nicht zu bewerten. Wer weiß, wie ich in ein paar Jahren als Mutter